
Günther Uecker, ZERO-Künstler und berühmt geworden durch seine Nagelbilder, konnte in diesem Jahr seinen 90. Geburtstag feiern. Aus diesem Anlass zeigte das Goethe-Museum in Düsseldorf die Sonderausstellung „Orient und Okzident sind nicht mehr zu trennen. Uecker – Hafis – Goethe“.

Poesie kann so kraftvoll sein, dass sie andere Künstler zu eigenen Werken inspiriert, und das über geografische, historische und kulturelle Grenzen hinweg. Wenn Günther Uecker sagt: „Sobald ich lese, muss ich auch malen“ und Goethe erklärt: „Ich musste mich dagegen produktiv verhalten, weil ich sonst vor der mächtigen Erscheinung nicht hätte bestehen können““ so beziehen sich beide auf dasselbe Werk. Der Weimarer Klassiker und der Gegenwartskünstler konnten sich der schöpferischen Energie der Gedichte aus dem „Diwan“ (der Sammlung) des persischen Poeten Hafis (auch Hafez) aus dem 14. Jahrhundert nicht entziehen. Vielmehr geriet der eine wie der andere durch die Lektüre in einen Schaffensrausch.
So entstanden der „West-östliche Divan“, die größte Gedichtsammlung Goethes, und 200 Jahre später Ueckers „Huldigung an Hafez“, ein Zyklus von 42 Druckgrafiken. Angeregt vom Bilderreichtum der über 650 Jahre alten Gedichte des persischen Poeten führt Uecker seine schwungvolle Handschrift mit leuchtenden Malereien in einem Farbrausch zusammen. 31 Siebdrucke, sechs Sanddrucke und fünf Prägedrucke vermitteln den Geist und die poetische Kraft des Erlebten, Gelesenen und Gehörten in einer überwältigenden Bildsprache.

Die Schau zeigt Ueckers Huldigung und Goethes Divan im Erstdruck und in ausgewählten Originalhandschriften, aber auch die Gedichtsammlung von Hafis, die beide inspirierte. Zu bewundern sind zudem Arbeiten aus Ueckers umfangreichem, bisher weniger bekannten bibliophilen Werk. Damit schlägt die Ausstellung eine Brücke zwischen den Jahrhunderten und führt vom Orient zum Okzident. Umgekehrt lenkt eine Filmdokumentation über Ueckers Ausstellungsreise in den Iran den Blick von West nach Ost.

Eine Premiere: Im Goethe-Museum sind zum ersten Mal überhaupt die Druckplatten der Prägedrucke von Ueckers Grafik-Edition „Huldigung an Hafez“ zu sehen. Anhand dieser Druckstöcken lässt sich nachvollziehen, dass in einem vom Künstler selbst entwickelten Verfahren hartes Material und große Kraft die Grundlage bildeten für die zarten Blätter seiner Hommage an die Dichtung, Beispiele historischer Bücher aus China und Persien, die aus Ueckers eigener Sammlung stammen, bestätigen weiterhin Goethes Überzeugung, dass Selbsterkenntnis und das Interesse am Fremden helfen können, Grenzen zu überwinden: „Wer sich selbst und andre kennt / Wird auch hier erkennen: / Orient und Okzident / Sind nicht mehr zu trennen.“
Iranische Künstler in der Galerie Breckner
Seit 2016 reist Ueckers Grafikzyklus „Huldigung an Hafez“ durch alle Teile des Irans. dort hat der Künstler bisher achtmal Station gemacht und jeweils einheimische Künstler zu eigenen Arbeiten inspiriert.
Angelika Campbell
goethe-museum.de
galerie-breckner.de
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