
Mit „Making History“ wagt die Hamburger Kunsthalle einen fulminanten Sprung zurück in die Geschichte. Das größte Gemälde des Museums, „Der Einzug Karls V. in Antwerpen“ von Hans Makart (1840–1884), bildet den Mittelpunkt einer gelungenen Präsentation, die eine plastische Vorstellung von der Diversität und Widersprüchlichkeit in der Kunstentwicklung des 19. Jahrhunderts vermittelt.
Das repräsentative Treppenhaus der Hamburger Kunsthalle hinauf in den ersten Stock, gerade aus in den neu eingerichteten Makart-Saal und – wow, was für ein Gemälde! Ist es Kitsch, ist es Kunst? Auf jeden Fall ist es überwältigend. Nach vier Jahren ist das 50 Quadratmeter große (!) Skandalbild des österreichischen Malers erstmals wieder zu sehen. 1879 für die Hamburger Kunsthalle erworben zählt es immer noch zu den wichtigsten Identifikationsbildern des Museums und gilt als einer der Höhepunkte in der Malerei des Historismus.
Hans Makarts monumentale Komposition zeigt den Festeinzug des jungen Kaisers Karl V. (1500–1558) in der Hafenstadt Antwerpen am 23. September 1520. Albrecht Dürer war damals bei den Festlichkeiten zugegen und hielt das Erlebnis in seinem Tagebuch der niederländischen Reise fest. Zur Zeit Karls V. war es bei derartigen Anlässen üblich, dass nackte Frauen als „lebende Bilder“ bestimmte Allegorien darstellten. Meist standen diese auf Tribünen weit oberhalb des Geschehens, Makart aber unterstellt sie dem Machtinhaber im wahrsten Sinne des Wortes. Offenbar war der Maler mehr an einer provokanten Inszenierung interessiert als an der verlässlichen Wiedergabe realer Ereignisse…
Nach einer imposanten Ausstellungstournee mit Hunderttausenden Besucher*innen von Wien über Basel und Paris bis nach Dresden und London wurde Makarts Supergemälde ab 1881 in der Hamburger Kunsthalle gezeigt. Ab 1939 befand es sich im Depot, ehe es 1981, 100 Jahre nach seiner Erstpräsentation, wieder an seinem ursprünglichen Platz präsentiert wurde – bis zuletzt im Jahr 2016.
Gemeinsam mit diesem Werk werden 60 weitere Gemälde und Skulpturen des 19. Jahrhunderts aus der Sammlung der Kunsthalle im Makart-Saal gezeigt, darunter viele Gründungsbilder des 1869 eröffneten Hauses. Beim Rundgang würde man am liebsten Damen im Rüschenkleid mit großen Hüten und Herren in Gehrock und Zylinder um sich sehen – so wie das Publikum im 19, Jahrhundert das Galerieambiente dieser Schau besucht hätte… Allerdings: Was früher für richtig befunden wurde, muss den heutigen Vorstellungen nicht mehr entsprechen. Es kann aber helfen die eigenen Sichtweisen zu hinterfragen. Und kritisches Hinterfragen der Darstellungen ist seitens der Museumsleitung durchaus erwünscht…
Mit Bezugnahme auf historische Sammlungspräsentationen erstrahlen die Kunstwerke – die teils 100 Jahre lang nicht mehr zu sehen waren – in blockartiger Hängung auf einer samtenen Wandbespannung. Die Bilder sind in verschiedene thematische Ensembles gegliedert. Die starke Präsenz der Historienmalerei verdeutlicht den Aufschwung, den gerade diese Gattung im Laufe des 19. Jahrhunderts erlebte. Grund dafür dürfte die politisch angespannte Situation in Europa zwischen revolutionären und restaurativen Tendenzen sein.
Von den Genreszenen geht ebenfalls eine starke Suggestionskraft aus. Sie nehmen die Betrachter*innen mit auf eine Zeitreise in die römische Antike, die als Form- und Stoffreservoir für die Kunst das gesamte 19. Jahrhundert über Bestand hatte. Auffällig ist auch die Präsenz von Arbeiten, die Gefühle zum Thema haben. Sie basieren auf dem damaligen Wunsch nach einer emotionalen Involvierung und eigen unter anderem rührende Kinderszenen und Schicksale von Auswanderern.
Eine Gruppe vornehmlich englischer Künstler richtete ihren Blick oftmals auf den Nahen Osten. Getragen von dem Wunsch, die für westliche Augen fremde Welt möglichst schillernd vorzustellen, ist die „Orientmalerei“ Zeugnis einer eurozentrischen Sicht auf die arabisch-islamische Kultur. Den Abschluss bilden die imposanten Landschaftsdarstellungen des Düsseldorfer Künstlers Oswald Achenbach (1827–1905) und seiner Zeitgenossen. Ein Augenschmaus auch für Menschen des 21. Jahrhunderts!
Angelika Campbell
Hamburger Kunsthalle, hamburger-kunsthalle.de
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.