Alexey Brodovitch

Alexey Brodovitch ist einer der großen Pioniere moderner Grafik. Seine Erfindungen im Zusammenspiel von Schrift und Fotografie waren wegweisend, sein Einfluss auf das Layout der Gegenwart kann nicht überschätzt werden. Das Museum für Gestaltung Zürich zeigt mit über 250 Objekten das Gesamtwerk Brodovitchs, der die Gestaltung der Modemagazine und -fotografie revolutionierte.

Alexey Brodovitch wächst in einer wohlhabenden Familie in Russland auf. Nach der russischen Re[1]volution emigriert er nach Paris, wo er sich vorerst als Bühnenmaler durchschlägt. 1924 gewinnt er aus dem Nichts den Plakatwettbewerb des alljährlichen Balls der russischen Künstlervereinigung und lanciert damit seine steile Karriere. Noch nie gezeigte Werke, Dadafilme von Man Ray, Fernand Léger und Hans Richter und eigens für die Ausstellung kreierte Animationen geben Einblick in die Künstlerströmungen in Paris und Brodovitchs ersten Jahre als Gestalter.

Brav gerahmte Studiobilder, klassisch gesetzte Textblöcke – bis Anfang der dreißiger Jahre sind Magazine punkto Gestaltung wenig innovativ. Dies änderte sich, als die Chefredakteurin des weltbekannten Modemagazins Harper’s Bazaar auf Alexey Brodovitch (1898–1971) aufmerksam wurde und ihm den Posten des Art Directors gab. Die Arbeit des Russen veränderte ab diesem Zeitpunkt die Gestaltung des Modemagazins radikal. Viele seiner innovativen grafischen Strategien verstärken die architektonischen Aspekte des Bildes und betonten damit dessen dynamische Eigenschaften.  Das Heft wird zu einer grafischen Erzählung.

1930 wird Brodovitch eingeladen, in den USA die neuen Techniken, die er in Paris erlernt hat zu unterrichten. Hier kuratiert er auch die Ausstellung New Poster, die Arbeiten vieler europäischer, aber auch amerikanischer Plakatkünstlerinnen und -künstler vereint.
In der Zürcher Ausstellung sind daraus absolute Highlights der hauseigenen Plakatsammlung zu sehen, Schlüsselwerke von A.M. Cassandre, Jean Carlu oder Herbert Matter.

Parallel zu seiner Arbeit bei Harper’s Bazaar führt Brodovitch eine Meisterklasse, das Design Laboratory. Einer, der Brodovitchs Forderung nach ständiger Innovation am besten umsetzt, ist der Fotograf Richard Avedon. Brodovitch verschafft ihm bald erste Aufträge für Harper’s Bazaar und gemeinsam beginnen die beiden, das Modemagazin an sich zu revolutionieren: Es entstehen Doppelseiten mit filmischen Bildgeschichten, grotesken Maßstabsverzerrungen oder poetischen Spiegelungen.

Die Beiden zeigen nun Mode in einem neuen, dokumentarischen Stil. Models wie Audrey Hepburn oder die legendäre Dovima werden im Rausch der Großstadt oder in schicken Nachtclubs fotografiert. Mit solchen Bildfindungen leisten die Beiden Pionierarbeit für einen Stil impressionistischer Modefotografie, der perfekt mit dem Bild übereinstimmt, welches die moderne Frau um 1950 zu werden träumt. Rund ein Duzend herausragende Modekreationen von 1935 bis 1955 aus der Swiss Textile Collection ergänzen die Schau.

Das Zusammenspiel von Brodovitchs grafischem Auge und Richard Avedons einzigartigem Zugang zum Porträt findet mit Observations im Jahr 1959 einen Höhepunkt. Dieses Fotobuch ist nicht nur ein bedeutendes Werk in der Geschichte des Mediums, sondern bildet auch den Startpunkt für Avedons weitere Entwicklung und dessen aufkommende Faszination für gesellschaftliche Brüche, fernab von Modebusiness und Glamour.

Nach der Veröffentlichung von Observations gingen Brodovitch und Avedon getrennte Wege: Brodovitch verfiel seiner Alkoholsucht und wurde bei Harper’s Bazaar entlassen, in der Folge trat er kaum noch als Gestalter in Erscheinung. Avedon erweiterte sein Werk um sehr persönliche und berührende Portraits von Stars wie Marilyn Monroe oder Charlie Chaplin und vielen anderen.

Ausstellung bis 20.06.2021, Museum für Gestaltung, Zürich, museum-gestaltung.ch

Bilder:
Oben: Walter Sanders, Harper’s Bazaar Layout Meeting, 1952, mit Carmel Snow und Alexey Brodovitch, The LIFE Picture Collection
Bilderblock: h, Twist and Turn as You Will, Junior Bazaar, Januar 1947, Fotos: George Barkentin, Museum für Gestaltung Zürich, Grafiksammlung, ZHdK / Herbert Bayer, College Fashions, Cover für Harper’s Bazaar, 1940, Museum für Gestal[1]tung Zürich, Grafiksammlung, © Hearst Communications Inc. & Pro Litteris / Fotografie von Herbert Matter, Tips on your fingers, Harper’s Bazaar, 1941, Museum für Gestaltung Zürich, Grafiksammlung, © Hearst Communications Inc. & The Matter Family / Fotografie von Richard Avedon, Dervish, Junior’s Bazaar, 1946, Museum für Gestaltung Zürich, Grafiksammlung, © Hearst Communications Inc. & The Richard Avedon Foundation / Fotografie von Richard Avedon, The beautiful individualist, Harper’s Bazaar, 1950, Museum für Gestaltung Zürich, Grafiksammlung, © Hearst Communica[1]tions Inc. & The Richard Avedon Foundation / Richard Avedon, Dovima with elephants at Cirque d’Hiver, Paris, 1955, © The Richard Avedon Foundation