
Die Hamburger Kunsthalle präsentierte die erste Einzelausstellung der bedeutendsten und einflussreichsten tschechischen Künstlerin des 20. Jahrhunderts in Deutschland: Das faszinierende und vielschichtige Œuvre von Toyen (Marie Čermínová, *1902 in Prag, †1980 in Paris) nimmt eine einzigartige Stellung in der von Männern dominierten Kunstszene der tschechischen Avantgarde ebenso wie im internationalen Surrealismus ein.

Die Künstlerin wirkte bis in die 1970er Jahre innovativ. Ihre poetischen wie provokanten Bilder oszillieren zwischen Realität und Imagination, Verführerischem und Abgründigem und prägen sich tief in das Gedächtnis ein.
Für die umfangreiche erste monografische Vorstellung des Gründungsmitglieds der Surrealist*innengruppe der ehemaligen Tschechoslowakei werden rund 300 Exponate aus allen Schaffensphasen zusammengetragen: 100 Gemälde, 180 Zeichnungen, Collagen, Illustrationen, Druckgraphiken sowie illustrierte Bücher und Objekte, zudem eine Vielzahl von ebenfalls bislang unbekannten Dokumenten (Künstler*innenbriefe, Gemeinschaftswerke und Fotografien) geben tiefe Einblicke in Toyens außergewöhnliches Werk und Leben. Anhand dieser vielzähligen Medien werden auch ihre grenzenverschiebenden Kombinationen von Ausdrucksmitteln deutlich, von Malerei und Collage, Poesie und Illustration.
Toyens neuartige Verfahrensweisen und Motive bereichern den Surrealismus auf einzigartige Weise. Fokussierte Gegenüberstellungen mit ausgewählten Werken von ihren Weggefährten des tschechischen wie internationalen Surrealismus, so von Jindřich Štyrský, Jindřich Heisler, Salvador Dalí, Yves Tanguy, Max Ernst, Victor Brauner, André Breton, René Magritte, Paul Klee, Man Ray und weiteren machen Toyens internationale Verortung sowie ihr Netzwerk anschaulich.

Toyen wirkte schon früh als Pionierin in ihrer Heimatstadt Prag, schuf eindringliche Zeichnungszyklen während der deutschen Besatzungszeit der Tschechoslowakei und entwickelte ihr malerisches Œuvre ab 1947 im Pariser Exil immer weiter. Künstlerisch und politisch engagiert, hinterfragte sie sämtliche Kategorisierungen.
Um Geschlechterklischees zu umgehen wählte sie mit 21 Jahren das Pseudonym Toyen, welches sie vom Französischen »citoyen« (Bürger) ableitete. Vorgegebene Zuschreibungen, seien es gängige Geschlechterrollen, vorherrschende Stile, Themen oder Techniken, kündigte die lebenslange Grenzgängerin in Kunst wie im Leben auf.
http://www.hamburger-kunsthalle.de
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