Simone de Beauvoir und „Das andere Geschlecht“

Simone de Beauvoir (1908–1986) gehört zu den wichtigsten Intellektuellen des 20. Jahrhunderts und gilt als Ikone der Frauenbewegung. Im Jahr 1949 veröffentlichte die Schriftstellerin und Philosophin die Studie Le deuxième sexe („Das andere Geschlecht“), in der sie sich mit der Situation der Frauen in der westlichen Welt auseinandersetzte.

Ihre brillante Analyse, die Behandlung von tabuisierten Themen wie sexuelle Initiation, lesbische Liebe, Mutterschaft oder Abtreibung lösten damals eine Welle von Kritik und Anfeindungen aus. Erst später wurde die Studie als Grundlage der Frauen- und Geschlechterforschung und als feministisches Standardwerk anerkannt.

Mit Le deuxième sexe widmet sich die Ausstellung der Bundeskunsthalle dem wohl berühmtesten Werk von Simone de Beauvoir. Was als ein Essay begann, entwickelte sich zu einem grundlegenden Werk: „Diese Welt ist eine Männerwelt, meine Jugend wurde mit Mythen gespeist, die von Männern erfunden worden waren, und ich hatte keineswegs so darauf reagiert, als wenn ich ein Junge gewesen wäre.

Mein Interesse war so groß, dass ich den Plan einer persönlichen Beichte fallenließ, um mich mit der Lage der Frau im Allgemeinen zu befassen.“ schrieb de Beauvoir in ihrer Autobiografie Der Lauf der Dinge (1966). Le deuxième sexe war die erste sozialwissenschaftliche Untersuchung, die die Kategorie „Geschlecht“ ins Zentrum stellte und dabei konsequent zwischen biologischem Geschlecht und kultureller oder sozialer Prägung von Geschlecht unterschied. Bis heute hat das Werk nichts an Relevanz verloren, denn die Emanzipation der Frauen ist noch nicht abgeschlossen.

Die Ausstellung geht der Entstehung des Werkes im Paris der Nachkriegszeit, als die Philosophie des Existenzialismus neue Maßstäbe setzte, nach und erzählt von der Bedeutung und Rezeption dieser „Bibel des Feminismus“ innerhalb desselben.

Literarische und journalistische Beiträge, Interviews und Filme stellen Simone de Beauvoirs Denken und ihr Verständnis vom freien und unabhängigen Leben vor und lassen ihre wichtigsten Weggefährt*innen wie Jean-Paul Sartre oder Alice Schwarzer zu Wort kommen. Mit Simone de Beauvoir und ihrem Standardwerk des modernen Feminismus setzt die Bundeskunsthalle die mit Hannah Arendt initiierte Reihe über Schriftstellerinnen, Philosophinnen, Wissenschaftlerinnen und Pionierinnen unterschiedlichster Disziplinen, die entscheidende Akzente für die Emanzipation der Frauen gesetzt haben, fort.

04.03.-16.10.2022, Bundeskunsthalle Bonn,
http://www.bundeskunsthalle.de

Bilder:
Oben: Simone de Beauvoir,Französische Schriftstellerin, Philosophin und Feministin,
1954 (Pierre Boulat, Agentur Focus)
Mitte: Sartre und de Beauvoir mit Fidel Castro, Kuba 1960 (ullstein bild – Pictures from History
Unten: Jean-Paul Sartre, Boris Vian und Simone de Beauvoir im Café Le Procope, Paris 1950, (Georges Dudognon adoc-photos)