
45 Künstler-/innen aus zwölf europäischen Ländern präsentieren ihre Werke in der Glashütte Gernheim, setzen sich auf vielfältige Weise mit der Glasgravur auseinander.
Die Beziehungen zum Thema Gravur in Gernheim sind vielschichtig: Die 1812 am Ufer der Weser gegründete Glashütte stellte mundgeblasenes Gebrauchsglas für den Export her. Neben Hohlglas wurde auch Flachglas geblasen. „Überfangscheiben mit floralen Schliffdekoren, die zur dekorativen Verglasung von Fenstern und Türen Verwendung fanden, galten als besonders erfolgreiches Produkt. Kunstvoll geschliffene und gravierte Pokale, die repräsentativen Zwecken dienten, sind ebenso überliefert“, so Dr. Katrin Holthaus. Während Schliff und Gravur in der Zeit des Manufakturbetriebs im 19. Jahrhundert vorwiegend arbeitsteilig zur Fertigung großer Stückzahlen genutzt wurden, trat mit der Einrichtung der musealen Schauproduktion in Gernheim 1998 die künstlerische Anwendung dieser Techniken in den Vordergrund.

Mit der Ausstellung begeht das Glass Engraving Network (GEN) zugleich sein zehnjähriges Bestehen. Das Netzwerk richtet nicht nur Ausstellungen in europäischen Museen aus, sondern veranstaltet auch Meetings und Workshops, um künstlerische Positionen zu diskutieren und die Techniken von Gravur, Schliff und anderen Glasveredelungen weiterzuentwickeln. Ihre gemeinsame Basis finden die Kunstschaffenden in der Intention, die Gravur aus der Jahrhunderte alten „klassischen“ Tradition zu lösen und für die gegenwärtige Kunst fruchtbar zu machen. So legte GEN für die aktuelle Ausstellung „Gravur on Tour“ lediglich das Kriterium fest, die Objekte sollten nicht älter als zwei Jahre sein.

Einzige Ausnahme bilden Arbeiten der 2021 verstorbenen Künstlerin Karin Hubert, deren Schaffen eng mit der Glashütte Gernheim verwoben war und dort in zwei Einzelausstellungen gezeigt wurde. Die gesucht imperfekte Gravur setzte Hubert als gestalterisches Mittel ein, mit dem sie Glasscherben und Fundstücken bearbeitete. „Diese Verbeugung vor einer der wahrscheinlich einflussreichsten Graveurinnen des zeitgenössischen Glases darf wohl auch als ein künstlerischer Referenzpunkt des Netzwerks gedeutet werden“, so Holthaus.
Um auch die praktische Zielsetzung des Glass Engraving Network zu fördern, werden in der Glashütte Gernheim während der Ausstellungen „Gravur on Tour“ Workshops für die Mitglieder des Netzwerkes stattfinden, die sich der praktischen Umsetzung von Entwürfen, insbesondere der Graal-Technik, widmen. Darüber hinaus bietet die Glashütte einen Gravur-Kurs für Anfänger an (22. bis 27.8.). Damit will das LWL-Museum die Tradierung historischer Techniken auch für die Zukunft erhalten und moderne Glasgestaltung fördern.
19.03.-09.09.2023 LWL-Museum Glashütte Gernheim, http://www.glashuette-gernheim.lwl.org
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.