This Is Me, This Is You.

Das Museum Brandhorst gab erstmals Einblick in eine international bedeutende Fotosammlung, die über vier Jahrzehnte hinweg gewachsen ist. Eine großzügige Schenkung der Eva Felten Fotosammlung erweiterte die Bestände um 429 Werke von mehr als 140 Künstler/-innen von den 1930er-Jahren bis in die unmittelbare Gegenwart.

Namhafte Positionen der Fotografiegeschichte von Robert Frank, Evelyn Hofer, Gordon Parks über Isaac Julien, Sherrie Levine, Richard Prince bis zu Zoe Leonard, Arthur Jafa und LaToya Ruby Frazier: In einer Auswahl von rund 140 Arbeiten widmet sie sich den komplexen Blickbeziehungen in der Fotografie und reflektiert dabei Fragen nach Intimität und Begehren ebenso wie nach Machtverhältnissen und strukturellen Ungleichheiten, die sich in das Medium einschreiben.

Titelgebend für die Ausstellung war eine Arbeit von Roni Horn. Mit ihrer markanten Aussage „Where you look from is always half the picture“ brachte die US-amerikanische Künstlerin Zoe Leonard (*1961) auf den Punkt, wie zentral die historische, soziale und physische Perspektive der Fotografierenden sowie der Betrachtenden für die Interpretation von Kunst ist. Die Begegnung mit der Fotografie ist somit nicht nur eine Begegnung mit den Abgebildeten, sondern auch mit den Fotograf/-innen selbst. Basierend auf dieser Beobachtung widmet sich die Ausstellung verschiedenen Bildstrategien der Fotografie in sieben thematischen Kapiteln.

Sie umfassen eindringliche Porträts, bekannte Werke der Street Photography und der sozialkritischen Fotografie sowie konzeptuelle Arbeiten und bedeutende Positionen der Appropriation Art. Werke von historischen und zeitgenössischen Künstler:innen aus verschiedenen geografischen und künstlerischen Kontexten schaffen einen internationalen Rahmen, um über die Politik und Dynamik des fotografischen Blicks nachzudenken.

Ein Kapitel der Ausstellung führt zurück zu der berühmten Serie „Menschen des 20. Jahrhunderts“, die August Sander 1925 konzipierte. Obwohl keine Werke des Fotografen selbst zu sehen sind, finden sich zahlreiche Arbeiten von internationalen Künstler/-innen wie Diane Arbus, Jitka Hanzlová, Rineke Dijkstra und Issei Suda, die entweder unmittelbar von Sanders Strategie beeinflusst sind, Individuen im Kontext ihrer Gesellschaft darzustellen, oder daran anschließen.

Ein weiteres Kapitel widmet sich der Street Photography mit Positionen von Robert Frank über Gordon Parks und Vivian Maier bis hin zu Helga Paris. Gegenüber diesen Werken, die auf Streifzügen durch die Stadt entstanden sind, stehen Arbeiten von Künstler/-innen, die die Inszenierung als Bildstrategie wählen, wie Philip-Lorca diCorcia oder Tracey Moffatt.

Ein eigener Raum in der Ausstellung widmet sich der Intimität, die oft zwischen Fotograf/-innen und den Abgelichteten entsteht und die in den Fotografien spürbar wird. Hier sind Werke von Diane Arbus, Walter Pfeiffer und Deana Lawson zu sehen. Im Kapitel zur Appropriation Art werden historische Positionen der Strömung, vertreten durch Richard Prince und Sherrie Levine, mit Werken von Nobuyoshi Araki und Arthur Jafa in einen Dialog gesetzt, die der Praxis der Bildaneignung eine neue Dimension verleihen. Das größte Kapitel der Ausstellung befasst sich mit der Fotografie als sozialem und politischem Raum. Arbeiten von LaToya Ruby Frazier, Isaac Julien, Carrie Mae Weems oder Anthony Hernandez reflektieren die gesellschaftliche und politische Relevanz, die dem Medium inhärent sind.

Fotografien spielen eine aktive Rolle bei unserem Verständnis von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, sei es als Dokument, Metapher oder Fiktion. Sie sind ein performatives Mittel zur Herausbildung von Identität, ein appellatives Instrument für politische und soziale Veränderungen sowie eine subversive Strategie der Sichtbarkeit und Erinnerung.

Mit Werken von:
Nobuyoshi Araki, Diane Arbus, Richard Avedon, Victor Burgin, Harry Callahan, Larry Clark, Bruce Davidson, Philip-Lorca diCorcia, Rineke Dijkstra, William Eggleston, Robert Frank, LaToya Ruby Frazier, Lee Friedlander, Nan Goldin, Jitka Hanzlová, Dave Heath, Robert Heinecken, Anthony Hernandez, Fred Herzog, Evelyn Hofer, Rudolf Holtappel, Roni Horn, Pieter Hugo, Peter Hujar, Arthur Jafa, Isaac Julien, Barbara Klemm, Suzy Lake, Deana Lawson, Saul Leiter, Zoe Leonard, Sherrie Levine, Leon Levinstein, Helen Levitt, Jerome Liebling, Danny Lyon, Vivian Maier, Lisette Model, Tracey Moffatt, Zanele Muholi, Gabriele und Helmut Nothhelfer, Tod Papageorge, Helga Paris, Gordon Parks, Walter Pfeiffer, Richard Prince, Dirk Reinartz, Arthur B. Rickerby, Thomas Ruff, Sam Samore, Shirana Shahbazi, Jo Spence, A.L. Steiner, Issei Suda, Carrie Mae Weems, Christopher Williams, Bruce Wrighton, Shin Yanagisawa

Museum Brandhorst, München, http://www.museum-brandhorst.de

Bilder:
Oben: Saul Leiter „Red Umbrella”, 1958, Saul Leiter Foundation. Courtesy Howard Greenberg Galler
Mitte: Evelyn Hofer „Bowery, New York”, 1965, Estate of Evelyn Hofer. Courtesy Estate of Evelyn Hofer
Unten: Zoe Leonard „One Woman looking at Another (Carolyn Roehm Fashion Show)”, 1990,

Zoe Leonard. Courtesy die Künstlerin und Galerie Gisela Capitain, Köln