„Belles choses. Art Nouveau um 1900“

Aus Anlass des 50-jährigen Jubiläums des Bröhan-Museums widmete sich diese umfangreiche Ausstellung einem der Schwerpunkte des Hauses – dem französischen und belgischen Art Nouveau. Naturhaft bewegte Linien, raffiniert geschwungene Formen und ein überbordender Reichtum an floralen, figürlichen und abstrakten Ornamenten – das sind die Erkennungszeichen des Art Nouveau, der französischen und belgischen Variante des Jugendstils. Frankreich und Belgien hatten großen Anteil an der Aufbruchsbewegung der europäischen Kunst und Gestaltung um 1900, die der Moderne den Weg ebnete. Besonders von Paris ging eine enorme Sogwirkung aus: Hier wirkten Architekten wie Hector Guimard und Eugène Gaillard; Plakatgestalter wie Henri de Toulouse-Lautrec und Alfons Mucha revolutionierten das Grafikdesign.

1895 eröffnete der aus einer Hamburger Kaufmannsfamilie stammende Siegfried Samuel Bing seine Galerie für zeitgenössisches Kunsthandwerk, die Maison de l’Art Nouveau, die dem neuen Stil seinen Namen gab. Ein zweites, vollkommen eigenständiges Zentrum des Art Nouveau formierte sich mit der École de Nancy im Herzen Lothringens.

Émile Gallé und die Manufaktur Daum Frères leisteten vor allem in der Glaskunst Außergewöhnliches, Louis Majorelle war als Möbeldesigner stilbildend. Mit spielerischer Heiterkeit und vor allem der floralen Ornamentik schufen die Art-Nouveau-Künstler in Zentren wie Brüssel, Paris und Nancy eine neue Gestaltung für die Belle Epoque, die schon bald ganz Europa in ihren Bann schlug.

Die Zeit um 1900 war eine Phase der Umbrüche. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse und technische Errungenschaften griffen tief in den Alltag ein, die Industrialisierung erreichte ihren Höhepunkt und das Leben verlagerte sich vom Land in die Städte. Der Art Nouveau schuf „belles choses“ – schöne Dinge –, die das alltägliche Leben verzaubern und die profane Umgebung in Kunst verwandeln sollten. Es kam zu einem letzten großen Aufleben des europäischen Kunsthandwerks, während gleichzeitig industrielle Materialien und maschinelle Produktionsweisen an Bedeutung gewannen.

Mit Spitzenstücken aus nationalen und internationalen Privatsammlungen, die teils zum ersten Mal öffentlich gezeigt werden, lässt das Bröhan Museum den Glanz dieser Epoche wiederaufleben. Zusammenhängende Raumensembles lassen den Gesamtkunstwerk-Gedanken der Zeit um 1900 lebendig werden. Gleichzeitig ermöglicht die Einbeziehung neuer Forschungsperspektiven ein differenzierteres Bild dieser widerspruchsvollen Epoche an der Schwelle zur Moderne.

Das Bröhan-Museum widmet sich seit 50 Jahren der Kunstrichtung des Jugendstils, der von Anbeginn einer der Sammlungsschwerpunkte ist. In den letzten 10 Jahren hat sich das Haus – als Museum nicht nur für Jugendstil, sondern auch für Design und Kunst – verstärkt auch neueren Kunst- und Designströmungen bis hin zur Gegenwart geöffnet. Der eigene Sammlungsbestand dient dabei oft als Startpunkt für eine Auseinandersetzung mit aktuellen Themen und Trends.

Bröhan Museum, Berlin,
http://www.broehan-museum.de

Bilder:
Oben: Agnes de Frumerie Ondine (Undine) um 1900 Ausführung Edmond Lachenal, Paris Paul und Diana Tauchner (Foto: Marianne Franke)
Mitte: v.li.n.re.: Émile Gallé Etagere „Ombelles“ (Dolden) 1903 Entwurf Ausführung Manufaktur Émile Gallé, Nancy Bröhan-Museum (Foto: Martin Adam) /

Émile Gallé Vase mit Nachtschmetterling um 1898 Ausführung Manufaktur Émile Gallé, Nancy Bröhan-Museum (Foto: Martin Adam) /
Agathon Léonard Danseuse au cothurne (Tänzerin mit Kothurn) aus dem Tafelaufsatz „Le jeu de l’écharpe“ (Das Schärpenspiel) um 1900 Ausführung Bronzegießerei Susse Frères, Paris Paul und Diana Tauchner (Foto: Marianne Franke)
Unten rechts: Privat Livemont Plakat „Absinth Robette“ 1896 Paul und Diana Tauchner (Foto: E. Robin/E. Brossette)
Unten links: Alfons Mucha Plakat „Monaco Monte-Carlo“ 1897 Druck Imprimerie F. Champenois, Paris, Bröhan-Museum (Foto: Bassenge Auktionen)