
Die Ausstellung richtete den Blick auf das Schaffen und visionäre Potenzial des deutschen Designers und Aerodynamikers Luigi Colani. Das Museum Marta Herford, mit seinem Standort im Zentrum der Holz- und Möbelindustrie, das sich neben der Gegenwartskunst immer wieder Themen aus Architektur und Design widmet, stellte damit das Wirken eines Vordenkers in den Fokus, der nicht nur in der Region aktiv und prägend war, sondern weltweit für Aufsehen sorgte.
Luigi Colani (*1928 in Berlin als Lutz Colani; † 2019 in Karlsruhe) setzte sich mit seinen stromlinienförmigen und am Vorbild der Natur orientierten Entwürfen von den vorherrschenden geradlinigen Designtrends ab und entwickelte eine eigene, konsequente und innovative Formensprache. Viele seiner Ansätze sind aus heutiger Sicht visionär, da er sich den Kräften und Formen der natürlichen Umwelt bediente und diese übersetzte.
Colanis Laufbahn als Designer nahm ihren Anfang im Fahr- und Flugzeugbau. Aerodynamik und Effizienz bildeten ebenso wie Materialforschung Leitlinien seiner Ideenfindung. Sein „Biodesign“ entspricht explizit dem Menschen und seinen biologischen Bedürfnissen. Die damals noch unkritisch betrachtete Materialität des Kunststoffs war ideal, um die von Colani erdachte organische Formensprache auf diverse Möbel und andere Objekte anzuwenden.

Nicht zuletzt Colanis Lebenszeit in der Region Ostwestfalen prägte sein intensives Schaffen im Möbeldesign. Hier schuf er flexibel nutzbare Entwürfe, die sich von festgelegten Objektvorstellungen lösen und der Form des Körpers folgen. Ebenso reagierte er auf technische, gesellschaftliche und ökologische Wandel der Zeit. In der Ölkrise der 70er Jahre etwa arbeitete er verstärkt mit dem nachwachsenden Rohstoff Holz. Darüber hinaus entwickelte Luigi Colani schon früh Zukunftsvisionen wie Elektrofahrzeuge oder modulare Wohnformen bis hin zu Stadtentwürfen, die auf modernen, flexibleren Lebensmodellen basierten. Seine Ideen und Ideale schrieb er in seinem Design-Manifest „Ylem“ (1971) nieder. In der Blattsammlung mit Entwürfen und Statements in einem Koffer heißt es etwa: „Erst ein neuer Menschentyp, der in der nächsten Generation die Diktatur des Lineals erkannt und abgeschafft haben wird […], kann sich mit einiger Hoffnung auf Erfolg mit der Erbauung neuer Wohnagglomerationen beschäftigen.“
Die Ausstellung gibt einen Einblick in die Schaffensbreite von Luigi Colani und zeigt Objekte vom Prototyp bis hin zum populären Massendesign. Fahrzeuge vom Fahrrad über den Renn-Bob bis hin zu den Prototypen für den luxuriösen Pierce Arrow bilden Colanis Ideen zur Mobilität ab. Daneben finden sich alltägliche Wohnobjekte, darunter das Trinkglas mit Griffmulde, Computer- und Fernsehgeräte, vielfältige Sitzmöbel wie die geschwungenen „Sadima“-Liegen für Kusch+Co sowie regionale Produktionen wie Interlübkes Hocker „Zocker“ für ein dynamisches Sitzverhalten. Ergänzt wird die Präsentation etwa durch Badezimmerausstattungen für Villeroy & Boch oder Entwürfe für Skianzüge.
Über die industriellen Produktionen hinaus entwickelte Colani innovative Objekte für den Bereich der Bildung, wie beispielsweise „mitwachsende“ Möbel für Kinder und den Prototyp des „Lernei“ (1971), mit dem Colani seine Idee einer funktionellen Raumkapsel für Computerunterstützte Lernsituationen umsetzte.
Auch der charismatischen und nicht unkritischen Person Colani widmet die Ausstellung einen Bereich: durch seine teils exzentrischen und ausgefeilten Entwürfe, insbesondere aber durch sein aufbrausendes Wesen und seine scharfe Kritik an bestehenden Gestaltungs-Normen erlangte der Designer schnell den Ruf eines Enfant terrible. Zugleich zeigt sich, dass Colani von der absoluten Überzeugung seiner Sache und dem stetigen Drang nach Innovation und Optimierung im Sinne eines Designs im Einklang von Mensch und Natur getrieben war.
Dem Wirken in der Breite wie auch dem Auftreten des Designers selbst, gerade in der Region OWL, trägt die Schau zu guter Letzt durch ein ausstellungsbegleitendes partizipatorisches Projekt Rechnung: mit der Aktion „Bring Your Own Colani“ werden Besucher*innen eingeladen, eigene Colani-Objekte ebenso wie Erinnerungen und Erlebnisse mit ihm in einem separaten Ausstellungsbereich mit- und einzubringen.
Bilder:
Oben: Poly-COR, 1968, Kunststoffschlaufenstuhl für COR in der FIrmenausstellung, Foto: COR-Sitzmöbel,
Unten: Der Colani, ca. 1973, Plakat (Detail), Foto: Top System Burkhard Lübke
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