Maurice de Vlaminck. Rebell der Moderne

Die Ausstellung im Museum Barberini in Potsdam gab einen Überblick über Vlamincks gesamtes Werk ab 1929, wobei der Akzent auf der produktiven Schaffenszeit vor dem Ersten Weltkrieg liegt, ergänzt durch eine Auswahl später Arbeiten.

Ungemischte Farben, ungestümer Pinselstrich, abstrahierte Formensprache: Zu Beginn des 20. Jahrhunderts schockierte eine Künstlergruppe das Publikum mit einer Malerei, die sich auf radikale Weise von bisherigen künstlerischen Konventionen abwandte. Als „fauves“, als „Wilde“ bezeichnet, traten die Künstler den Weg in die Moderne an – allen voran Maurice de Vlaminck (1876–1958). Zunächst als Vorreiter eines französischen Expressionismus gefeiert, liegt die letzte Retrospektive des Künstlers in Deutschland fast 100 Jahre zurück.

Seit 1903 bot der Pariser Salon d’Automne französischen und internationalen Künstlern eine Plattform, um ihre Kunst entgegen der konservativen Politik des Salon de Paris zu präsentieren. 1905 traten dort erstmals junge, unbekannte Künstler in Erscheinung, die durch den Kritiker Louis Vauxcelles als „fauves“ bezeichnet wurden: Henri Matisse, André Derain, Kees van Dongen – und Maurice de Vlaminck. Mit ihren farbgewaltigen, ganz auf Ausdruck und Emotion ausgerichteten Werken begründeten sie den Fauvismus als erste Avantgarde-Strömung des 20. Jahrhunderts.

Obwohl als Kollektiv wahrgenommen, einte die Künstler kein Manifest; dennoch verband sie die Ablehnung aller bisheriger Kunstauffassungen und das Bekenntnis zur völligen Freiheit des Künstlers. Maurice de Vlaminck inszenierte sich als ungestümer, junger Künstler. Der Autodidakt ohne akademische künstlerische Ausbildung pflegte das Selbstbild als „Wilder“, dessen Werk von Expressivität geprägt war. Bereits 1905 erwarb der Kunsthändler Ambroise Vollard den Großteil von Vlamincks Atelier-Bestand und ermöglichte ihm somit die professionelle Künstler-Laufbahn.

Zur Kunst fand Maurice de Vlaminck durch eine Zufallsbegegnung mit André Derain, der den Geiger, Radrennfahrer, Boxer und Autor Vlaminck zur Malerei ermutigte. Beeinflusst durch Vincent van Gogh, ist bezeichnendes Charakteristikum für Vlamincks fauvistisches Schaffen die Aufwertung der Farbe, die ihm als Mittel heftigen Ausdrucks dient. Wie die Impressionisten faszinierten Vlaminck die Landschaften entlang der Seine, die er mit pastosem Farbauftrag und grellen Farbtönen festhält. In seinem Auftrag reiner, ungemischter Farben, teilweise direkt aus der Tube auf die Leinwand gebracht, folgt Vlaminck seinem Vorbild Van Gogh. Vlaminck entwickelt in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg einen Expressionismus, der an Werke der Dresdener Künstlergruppe ‚Die Brücke‘ erinnert. Ab 1906 weicht die explosive Farbigkeit gedämpften, dunkleren Tönen und Paul Cézanne tritt als Inspirationsquelle an die Stelle Van Goghs.

Daniel Zamani, Kurator der Ausstellung am Museum Barberini: „Maurice de Vlamincks Werk markiert ein bedeutendes Scharnier zwischen Im- und Expressionismus. Wir sind froh, seinem künstlerischen Werdegang mit einer so opulent bestückten Retrospektive nachspüren zu können. Besonders freuen wir uns über die zahlreichen farbstarken Arbeiten, die aus US-amerikanischen Sammlungen angereist sind, darunter Inkunabeln der fauvistischen Malerei aus dem Art Institute of Chicago und der National Gallery of Art in Washington. Ein weiteres Highlight sind die zahlreichen Schlüsselwerke aus internationalen Privatsammlungen, die sonst nicht öffentlich zugänglich sind.“


http://www.museum-barberini.de

Bilder:
Oben: Auf dem Tresen, 1900, Musée Calvet, Avignon, Schenkung von Émile Joseph-Rignault an die Fondation Calvet,
Mitte: Bougival, um 1905, Dallas Museum of Art, The Wendy and Emery Reves Collection,
Unten: Vorstädtische Landschaft, 1905, Museum of Fine Arts, Boston, Geschenk und Vermächtnis von David und Peggy Rockefeller (alle: VG Bild-Kunst, Bonn 2024)