Tradizione e innovazione

Das Streben nach kreativen Neuerungen mit den Mitteln der Tradition – so lässt sich die Zeitspanne von 1945 bis 1970 beschreiben, in der die Glaskunst der venezianischen Insel Murano zu einer ungeahnten Blüte gelangte. Die Vielfalt der Ergebnisse dieser Entwicklung zeigt die neue Sonderausstellung im LWL-Museum Glashütte Gernheim in Petershagen.

Viele Manufakturen arbeiteten nach 1945 mit Kreativen zusammen, die mit ihren von der Muraneser Tradition unabhängigen Gestaltungsansätzen neue Wege beschritten. Die Meisterglasmacher der Insel griffen diese Inspirationen auf und entwickelten handwerkliche Gestaltungen, die auf bisher unbekannte Weise mit der Glasmasse umgingen. Jahrhunderte alte Techniken und Inspiration durch zeitgenössische Kunst führten zu innovativen Lösungen.

Wesentlichen Anteil an diesem Aufschwung der Muraneser Glasproduktion hatte Paolo Venini, der in Kunstkreisen bestens vernetzte Inhaber einer Glasmanufaktur. Venini beauftragte seit den 1930er Jahren nationale und internationale Entwerfer, für ihn Glasobjekte zu entwickeln. Weitere Muraneser Manufakturen griffen diese Tendenzen auf, etwa Aureliano Toso oder Alfredo Barbini, dessen massive, in höchster handwerklicher Präzision ausgeführte Objekte den traditionellen Formenkanon überwanden.

Die Ausstellung spannt den Bogen von Ercole Barovier, der als Glastechniker mit Glasqualitäten und Einschlüssen experimentierte, bis zu Fulvio Bianconi, der sogar mit den traditionellen Handwerkstechniken brach, indem er das Unperfekte zum Gestaltungsmoment erhob. Bianconis Interpretationen der typischen weißen Glasfiguren, die vor allem für den touristischen Markt produziert wurden, gleichen kunstvollen Karikaturen und ironisieren so das Genre der Muraneser Massenproduktion.

Ausstellung bis 22.03.2026, LWL-Museum Glashütte Gernheim,
www.glashuette-gernheim.lwl.org

Bild:
Fulvio Bianconi: Figuren der Commedia dell’arte (Pulcinella), Entwurf 1951 (Foto: E. Ischi)