Le Corbusier und die Farbe

Die neue Ausstellung im Pavillon Le Corbusier widmet sich dem Umgang des Universalkünstlers mit Farbe. Le Corbusier setzte in all seinen Schaffensphasen Farbe als raumbildendes und identitätsstiftendes Element ein. Mit Fotografien, Originalen, Plänen und großformatigen Installationen zeichnet die Ausstellung die wichtigsten Stationen der Polychromie Le Corbusiers nach.

Le Corbusier (1887–1965) machte die Farbe zum integralen Bestandteil seiner architektonischen Konzeption und entwickelte darauf abgestimmte Farbklaviaturen. «Die Farbe ist in der Architektur ein ebenso kräftiges Mittel wie der Grundriss und der Schnitt»: Dass seine Position nichts an Aktualität eingebüßt hat, zeigt die Ausstellung anhand von rund 100 Fotografien, Originalen und Plänen Le Corbusiers. Drei großformatige Installationen bieten darüber hinaus ein sinnliches Farberlebnis. Polychromie: Die Farbe in der Architektur Le Corbusiers Parallel zum Siegeszug der vermeintlich «weißen» Moderne setzten Gestalterinnen und Architekten ab 1920 vermehrt Farbe ein. Sei es, um das Gebäude im Inneren zu zonieren, um Materialwirkungen zu evozieren oder aber, um Groß-Siedlungen «menschengerecht» zu gestalten.

«Ganz in weiß wäre das Haus ein Sahnetopf», schrieb Le Corbusier 1926, mitten in seiner «puristischen» Phase, in welcher er auch eine erste Farbenskala entwickelte. Durch gezielten Farbeinsatz ließ er einzelne Wandscheiben hervortreten oder zurückweichen. Oder er strich bewusst alle Oberflächen eines Raums mit der gleichen Farbe, um ihn als Bestandteil eines traditionellen Wohnbereichs zu identifizieren.

Le Corbusier bewegte sich dabei ständig zwischen den Polen der Auflösung und der Schließung des Raumes und setzte diese in eine dialektische Beziehung. In seinem legendären Zürcher Vortrag im Jahr 1938 legte Le Corbusier das theoretische Fundament seiner «puristischen» Polychromie offen. Nach dem zweiten Weltkrieg kam der Farbe in seinem Werk eine neue Bedeutung zu. Sie diente fortan der Flächengliederung und wurde im weitesten Sinne zu einem Ornament.

Der Architekt setzte nun kräftigere Töne im Zusammenspiel mit naturbelassenen Materialien wie Beton, Backstein oder Holz ein. Er erarbeitete eine zweite Farbklaviatur und kooperierte erneut eng mit dem Basler Tapetenhersteller Salubra, der eine standardisierte Qualität seines «Ölfarbenanstrichs in Rollen» garantierte. Mit der Lichtfarbe – mit farbigem Glas wie in der Kapelle von Ronchamp (1955) oder projiziertem Farblicht wie im Philips-Pavillon an der Weltausstellung in Brüssel (1958) – erweiterte Le Corbusier die Möglichkeiten der Farbgestaltung nochmals entscheidend. Der Zürcher Pavillon markiert den Endpunkt seiner lebenslangen Beschäftigung mit der Farbe in der Architektur: Hier umspielen knallbunte Emailpaneele das Äußere, während im Inneren die Eigenfarbe des naturbelassenen Eichenholzes dominiert.

Bis 28.11.2021, Pavillon Le Corbusier, Höschgasse 8, 8008 Zürich, www. pavillon-le-corbusier.ch

Bilder:
Oben: Loggien der Unité d’habitation in Marseille, Foto, Arthur Rüegg
Mitte:
linksseitig, von oben nach unten:
Le Corbusier anlässlich des am 12. Januar 1938 vom Ingenieur- und Architekten-Verein in der Schmiedstube in Zürich organisierten Vortrags «Les relations entre architecture et peinture», Foto: Gotthard Schuh, gta Archiv / ETH Zürich, Arthur Rüegg
Usine Claude et Duval, Saint-Dié-des-Vosges FR, 1946–1950, mehrfarbige Wandarbeit im Büro des Direktors Jean-Claude Duval, 1950, Kombination von Farbe und Schwarz-Weiss, von Abstraktion und Figuration, Foto (bearbeitet): Philippe Colignon / Musée Pierre-Noël, Saint-Dié-des-Vosges, 2004
Usine Claude et Duval, Saint-Dié-des-Vosges FR, 1946–1950, Farbgestal[1]tung der Deckenfelder in der Produktionshalle, 1950, polychrome Aufteilung der einzelnen Deckenfelder; Farbe stösst an Farbe, Foto: Arthur Rüegg, 2020
rechtsseitig, von oben nach unten:
Galerie der Villa La Roche (1923–25), Foto Arthur Rüegg
Pavillon Le Corbusier Zürich, Detail der Fassade, Foto: Georg Aerni