
Der 90. Geburtstag des Weltstars Armin Mueller-Stahl ist für die Kunsthalle St. Annen der Anlass, sein Schaffen im Bereich der bildenden Kunst in den Blick zu nehmen und das Œuvre des 1930 in Tilsit / Ostpreußen geborenen Malers, Musikers und Schauspielers zu entdecken.
Mit der Vielschichtigkeit seiner künstlerischen Ausdrucksweisen stellt Armin Mueller-Stahl eine Ausnahmeerscheinung in der Kunst des 21. Jahrhunderts dar. Daher werden in der Ausstellung seinen Gemälden, Zeichnungen und Druckgrafiken unmittelbar Filmsequenzen und Szenenfotos gegenübergestellt, die deutlich machen, dass für Mueller-Stahl sein schauspielerisches und malerisches Schaffen stets eine Symbiose eingehen und sich seine unterschiedlichen künstlerischen Aktivitäten gegenseitig beeinflussen. Die rund 140 Bilder der Ausstellung wurden mit dem Künstler zusammen ausgewählt. Dabei ist sein jüngster Werkzyklus „Jüdische Schicksale, Freunde und Weggefährten“ in dieser Form erstmals in der Öffentlichkeit zu sehen.
Die Präsentation umfasst eine große mediale Bandbreite von den frühen Gemälden über meisterhaft ausgeführte druckgrafische Zyklen und großformatige allegorische Gemälde bis hin zu Porträts. „Mir war es wichtig, einen Querschnitt seiner Arbeiten zu zeigen“, so die Leiterin der Kunsthalle und Kuratorin der Ausstellung, Dr. Antje-Britt Mählmann. Dabei soll das Schaffen Mueller-Stahls anhand einiger exemplarisch ausgewählter Themen- und Werkblöcke dargestellt werden. Vorbilder, Erfahrungen und Werke im Bereich der Schauspielerei, der Musik sowie der bildenden Kunst werden dabei ebenso berücksichtigt wie einschneidende Erlebnisse von politischer Unterdrückung, Verrat, Spionage und Migration, die Mueller-Stahls Schaffen tief geprägt haben.
„Von Osten nach Westen“
So greift der Themenblock „Von Osten nach Westen“ die für die Biografie Mueller-Stahls zentrale Auseinandersetzung mit der prägenden Erfahrung des ehemaligen DDR-Regimes und dessen Auswirkungen auf das alltägliche Leben auf. Nach seiner Ausreise in die BRD 1980 entschloss sich der Künstler mit fast 60 Jahren zu einem weiteren Neubeginn in den USA, wo er große Erfolge in bekannten Hollywood-Produktionen feierte. Diese spezielle Lebenssituation des Künstlers zwischen den USA und Deutschland, respektive der früheren DDR, war für sein Schaffen von Bedeutung. Viele Begegnungen in der Deutschen Demokratischen Republik, der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika haben Mueller-Stahl im Laufe seines Lebens inspiriert und sind in seinem Œuvre wiederzufinden.
Der Urfaust
Goethes „Faust“ bot seit jeher Inspiration für zahlreiche künstlerische Produktionen und Abwandlungen, so auch für Mueller-Stahl. 2003 widmete er sich diesem Grundstoff in einem umfassenden Lithografie-Zyklus; er schuf auch verschiedene Gemälde zu diesem Thema. Diese Werke zeigen die Tiefe der Auseinandersetzung des Künstlers mit existenziellen Fragen und der Sinnsuche des Einzelnen in einem größeren gesellschaftlichen und philosophischen Kontext.
„Night on Earth – Day on Earth“
Druckgrafische Techniken wie zum Beispiel die Lithografie nahmen für den Künstler seit den frühen 2000er Jahren insgesamt an Bedeutung zu. Diese Einzelwerke und Bildzyklen stehen vielfach in einem direkten Bezug zu Mueller-Stahls Arbeit als Hollywood-Schauspieler. So beschäftigt sich der im Jahr 2004 entstandene Lithografie-Zyklus “Night on Earth – Day on Earth” mit der nicht-linearen Erzählstruktur und den Charakteren des 1991 erschienenen Films „Night on Earth“, in dem der Schauspieler den New Yorker Taxifahrer Helmut Grokenberger spielte, einen ehemaligen Clown aus Ostdeutschland. Weitere Gemälde reflektieren seine Eindrücke von Filmen wie „Shine“, „Utz“ oder „Illuminati“.
Der Künstler und die Spannungen der Gegenwart
Einen Kontrast zu den kleinteiligen, oft narrativ als Serie angelegten druckgrafischen Werken, bilden Mueller-Stahls großformatige Gemälde. Auch für diese Leinwände sind Variationen ein Grundmotiv – vielfach verknüpft mit musikalischen Themen aus der klassischen Musik oder dem Jazz, die den begabten Musiker ebenso faszinieren wie seine literarischen, filmischen und künstlerischen Vorgänger. Zudem bewegen das aktuelle Zeitgeschehen in Deutschland, gegenwärtige Bewegungen in der Politik, globale Kriege und ganz besonders die Situation der Menschen, die zu Flucht oder Migration gezwungen sind, den Künstler.
Jüdische Schicksale, Freunde und Weggefährten
Der jüngste Werkzyklus in der Ausstellung besteht aus Porträts berühmter jüdischer Persönlichkeiten in der Weltgeschichte und Gegenwart. Unter den Porträtierten finden sich viele Kulturschaffende wie Walter Benjamin, Franz Kafka oder Billy Wilder. Alle vom Künstler porträtierten Persönlichkeiten, obgleich teils nicht weithin bekannt, haben auf ihre Weise die Welt geprägt. Die Wirkungsorte der Dargestellten bewegen sich in einem Spannungsfeld zwischen Deutschland, Österreich, Israel und den USA.
Alle Werke Mueller-Stahls zeichnet eine hohe Affinität zum Zeichnen und Malen der subtilen Nuancen menschlicher Gesichter und der in ihnen verborgenen Wesenszüge aus. Dies sei laut Kuratorin Mählmann auf das besondere schauspielerische Interesse des Künstlers, verschiedene Charaktere zu ergründen und sich in sie hineinzuversetzen, zurückzuführen.
Ausstellung bis 03.10.2021, Kunsthalle St. Annen, http://www.kunsthalle-st-annen.de
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