Küste in Sicht! – Max Liebermann in Noordwijk

Zwischen 1905 und 1913 war das Dorf Noordwijk an der holländischen Küste ein bedeutender Inspirationsort des deutsch-jüdischen Malers Max Liebermann (1847–1935). Die in Noordwijk entstandenen Werke sind erstaunliche Zeugnisse seiner wachsenden Faszination für die Techniken und Motive des Impressionismus. Mit der ergründet die Liebermann-Villa am Wannsee die Bedeutung des Küstenortes sowohl für Liebermanns künstlerische Praxis als auch für sein persönliches und berufliches Netzwerk.

Ab den 1870er Jahren reiste Liebermann fast jährlich nach Holland, wo ihn die reiche künstlerische Tradition, die Menschen und die Landschaft faszinierten. Es entstanden die bis heute unverwechselbaren Bildmotive der Waisenhäuser und des sogenannten Judenviertels in Amsterdam.

Auch die holländischen Küstenorte hielten um 1900 eine Fülle an Sujets bereit, u.a. Badende und Reitende am Strand. Doch mit der wachsenden Beliebtheit der Badekurorte Zandvoort und Scheveningen fühlte sich Liebermann dort zunehmend gestört – bis er den Küstenort Noordwijk für sich entdeckte.

Mit der wachsenden Beliebtheit des kleinen Ortes machten sich auch Freizeitmotive, etwa flanierende Feriengäste am Strand oder Tennisplätze, in Liebermanns Werken bemerkbar. Die faszinierenden Werke vermitteln noch heute eindrücklich die Atmosphäre dieses Küstenorts.

Um die Jahrhundertwende war das kleine Fischerdorf Noordwijk umgeben von weiter, unbebauter Landschaft. Die meisten Straßen waren noch nicht gepflastert und die Dünen reichten bis zum Ortsrand. Max Jahre begeisterte. Mit einer fein abgestimmten Farbpalette und mit zunehmend lockerer Pinselführung bannte Liebermann spielende Kinder, Gemüseverkäufer oder Dorfbewohnerinnen auf die Leinwand.

Liebermann kehrte nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 nie mehr nach Holland zurück, sondern verbrachte stattdessen die Sommer in seiner Villa am Wannsee. Die Noordwijk-Bilder gelten aber als unmittelbare Vorläufer der impressionistischen Gartenbilder, die Liebermanns Spätwerk auszeichnen, und die ohne die holländische Erfahrung undenkbar wären.

Mit dem wachsenden Tourismus wurde Noordwijk auch zu einem Treffpunkt des deutschsprachigen Großbürgertums in Holland. Liebermanns Berliner Kunsthändler, der Galerist und Verleger Paul Cassirer (1871–1926), ließ sich dort im Jahr 1906 eine Villa in den Dünen bauen und lud zahlreiche Künstlerfreunde ein. So begegnete Max Liebermann vielen seiner Secessionskollegen auch im Nachbarland, darunter Max Slevogt (1868–1932) und Lovis Corinth (1858–1925). Der Küstenort wurde damit zu einem Dreh- und Angelpunkt der deutschen Kunst- und Kulturszene

Ausstellung bis 19.09.2022, http://www.liebermann-villa.de

Bilder:
Oben: Am Strand von Noordwijk, 1908, Privatsammlung, (Foto: Christoph Irrgang)
Mitte: li: Strand bei Noordwijk, 1908, Körber-Stiftung, Hamburg / re: Strand bei Noordwijk, 1911, Privatsammlung
Unten: Gemüsekarren – Hundekarren, 1906, Privatsammlung