
Eine Ausstellung im Museum K20 der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen zeigt bis 20. August 2025 rund 120 Gemälde und Papierarbeiten aus allen Schaffenszeiten von Marc Chagall. Der russisch-französische Maler ist ein Ausnahmetalent der Moderne und zählt zu den wichtigsten Künstlern des 20. Jahrhunderts. Seine fantastisch-poetischen Bildwelten und deren Motive sind bis heute rätselhaft, deren intensive Farbigkeit außergewöhnlich.
Ein Schwerpunkt der Schau in Düsseldorf liegt auf den frühen Arbeiten, die zwischen 1910 und 1923 entstanden sind. Deutlich zeigen sich hier die Einflüsse der Avantgarden auf das Werk Chagalls, aber auch die gesellschaftskritische und bisweilen dunkle Seite seines Werks. Veranschaulicht wird zudem die Entwicklung des Künstlers und seiner Motive bis in die 1980er Jahre, in denen er mit der leuchtenden Farbigkeit seiner Bilder ein breites Publikum begeisterte. Ausgangspunkt und Anlass der Ausstellung sind drei Gemälde von Marc Chagall, die vor dem Ersten Weltkrieg in Paris entstanden sind und sich im Besitz der Kunstsammlung befinden.

Ein Leben für die Kunst
Marc Chagall (geb. 1887 in Witebsk, Russisches Kaiserreich, heute Belarus – gest. 1985 in Saint-Paul-de-Vence, Frankreich) kommt 1911 mit 23 Jahren nach Paris. Wie viele andere Künstler und Künstlerinnen ist er mittellos, spricht kaum Französisch und ist überwältigt von der Modernität und Energie der Stadt. Anders als in anderen europäischen Ländern wurden Juden in Frankreich ab dem Jahr 1791 als freie Bürger anerkannt. Das zog viele jüdische Künstler-/innen nach Paris.
Chagall findet nach kurzer Zeit Zugang zu den Pariser Zirkeln der künstlerischen und literarischen Avantgarde und wird Teil einer eingeschworenen Freundesclique, die sich gegenseitig unterstützt. Wie viele junge Kunstschaffende experimentiert er mit den Stilen der westlichen Avantgarde und verbindet Fauvismus und Kubismus mit jüdischen Motiven und osteuropäischer Folklore. Daraus entspringt eine aus dem Erleben begründete surreale Motivwelt – das verschafft Chagall ein Alleinstellungsmerkmal in seiner Zeit. Schwebende Menschen und Tiere, Geiger auf Dächern, Riesen, Winzlinge und Mischwesen bevölkern seine stets in überwältigender Farbigkeit gestalteten Kompositionen.
Zurückgekehrt nach Russland, wecken die Versprechen der Oktoberrevolution von 1917 zunächst Chagalls Enthusiasmus. Er wird 1918 zum Kommissar für die schönen Künste der Region Witebsk ernannt, gründet eine Kunsthochschule und wird dessen Leiter. 1923 kehrt er nach Stationen in Moskau und Berlin nach Paris zurück und muss feststellen, dass seine zurückgelassenen Werke verkauft oder zerstört sind. Er beginnt Neufassungen zu malen und begeistert damit Sammler und Galeristen. Eine neue Leichtigkeit und ein transparenter Farbauftrag finden Einzug in seine Bilder. Fortan lässt sich bei Chagall kaum mehr eine chronologisch fassbare stilistische Entwicklung feststellen. Er wiederholt Bildmotive und Themen, schafft dafür neue Kontexte und greift mit der Anlehnung an ein Sujet auch auf frühere Stilstufen zurück.

1941 emigriert Chagall nach New York. Erst 1948 kehrt er nach Frankreich zurück. Seinen herausragenden Status als Künstler hat er längst international manifestiert – durch zahlreiche Ausstellungen und Großaufträge für Glasfenster und Dekorationsarbeiten in Theater- und Opernhäusern. Auch in den späten Werken der 1960er bis 1980er Jahre reagiert er sensibel auf gesellschaftliche Entwicklungen und das Weltgeschehen insgesamt. Witebsk und Paris werden zunehmend zu Sehnsuchtsorten und Christus, der gekreuzigte Jude, zum Sinnbild des Leidens. Zudem reflektiert er zeitlebens seine Herkunft. Vor allem in den frühen Werken thematisiert er die Kindheit und Jugend in der Begrenztheit des jüdischen Viertels in Witebsk. Die Kleinstadt mit ihren eng gedrängten Häusern und dem markanten Kirchturm ist ein oft verwendetes Motiv.
Bilder:
Oben: Marc Chagall, Schlafende mit Blumen, 1972, La dormeuse aux fleurs, Sammlung Batliner, ALBERTINA, Wien (Fotos: Daniel Antalfi, Ana Paula Franco, Paul Landl), VG Bild-Kunst, Bonn 2024
Mitte: Marc Chagall in Sankt Petersburg, 17. Juni 1910, DR, Archives Marc et Ida Chagall, Paris
Unten: Marc Chagall, Der große Zirkus, 1970, Bleistift und Gouache, ALBERTINA, Wien, (Fotos: Daniel Antalfi, Ana Paula Franco, Paul Landl), VG Bild-Kunst, Bonn 2024
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