
Das Porzellanikon – Staatliches Museum für Porzellan, Hohenberg a.d. Eger, zeigt eine neue Sonderausstellung, in der man sich mit „Fake Food“ aus Keramik auseinanderzusetzen und damit, was man täglich zu sich nimmt. Die interaktive Ausstellung zeigt etwa 50 sogenannte Schaugerichte aus wertvollem Porzellan und Fayence aus der Sammlung Ludwig Bamberg. Dazu kommen weitere Objekte aus der Sammlung des Porzellanikon. Zusammen werfen sie die Frage auf, wie „echt“ das tägliche Essen ist.
Eine Dose in Form von Spargel, eine Schüssel mit Kopfsalatherzen oder eine Terrine in Form eines Truthahns – auf den Tafeln des 18. Jahrhunderts imitierten unterschiedliche, pompöse Schaugerichte aus Keramik die Natur. Sie machten von außen sichtbar, was sich im Inneren befand. Täuschend echte Imitationen verschiedener Gerichte und Nahrungsmittel, vor allem aus Fayence, verblüfften und sorgten für angeregte Tischgespräche.
Fayence, in Anlehnung an die italienische Keramikstadt Faenza benannt, besitzt einen poröseren, dunkleren Scherben als Porzellan sowie eine besondere Plastizität, weshalb das Material so beliebt war für die Herstellung von filigranen, detailreich ausgeformten Zier- und Dekorationsgegenständen. Im 18. Jahrhundert konnte sich die Straßburger Fayencemanufaktur der Familie Hannong mit ihren aufwendig hergestellten Fayencen einen Namen machen. Fein gearbeitete Schaugerichte fanden vor allem an den Höfen Frankreichs und Deutschlands zahlreiche Abnehmer.
Die Exponate der Ausstellung zeigen, was Gastgeberinnen und Gastgebern am Hof des 18. Jahrhunderts wichtig war: Sie wollten ihre Tischgäste beeindrucken! Dies gelang mit spektakulären Terrinen, die in Formen von ganzen Tieren gestaltet wurden. Die Terrine in Form eines Truthahns aus Straßburg (um 1745–54) fasziniert durch ihre Größe, lebendige Modellierung und Feinheit der Bemalung bis heute. Die Nahtstelle verschwindet gekonnt unter dem überlappenden Flügel. Im Vergleich zur traditionellen Präsentation von Vogelpasteten, die mit echtem Gefieder dekoriert waren, boten Vogelterrinen aus Fayence eine kunstvolle und nachhaltigere Alternative für die Tischdekoration.
Schaugerichte wurden vorrangig aus Fayence hergestellt – umso seltener sind solche aus Porzellan. Ein Bund Spargel, das mit einem Band zusammengehalten ist, entpuppt sich beim Griff an der Schleife als Porzellandose (Berlin, um 1775-80). Die Öffnung verschwindet gekonnt zwischen den einzelnen Stangen und verbleibt nahezu unsichtbar.

Auch heute greifen Porzellan- und Keramikproduzenten das Stilmittel der Schaugerichte auf. So stellt die Ausstellung einen Eierbecher in Form einer Tulpe aus Fayence (Niderviller, um 1760-70) einem Eierbecher aus der Serie Ab ovo Black & White von Luigi Colani (1928-2019) gegenüber. Beide Exponate stellen eine Tulpe dar, wobei Colani eine abstrakte, biomorphe Formensprache wählte. Realitätsnaher zeigt sich eine Marmeladendose der Porzellanmanufaktur Augarten Wien. Die Porzellandose gleicht durch die Bemalung einem Faschingskrapfen, ein Gebäckstück, das passenderweise mit Marmelade gefüllt ist.
Die Ausstellung „Fake Food. Essen zwischen Schein und Sein“ rückt neben den einzigartigen Porzellan- und Fayence-Objekten unsere Ernährung in den Mittelpunkt. Hier werden Themen behandelt, die die gehobene Gesellschaft des 18. Jahrhunderts bei Tisch bewegten. Auch heute sind diese Themen – wenn auch in veränderter Form – aktuell: Was sagen unsere Essgewohnheiten über unseren sozialen Status aus? Ist unser Essen wirklich natürlich – oder gezähmte Natur? Sollte es Erdbeeren im Winter nur aus Porzellan geben? Während im 18. Jahrhundert Fayencen die Natur täuschten, versuchen heute Fachleute aus Lebensmittelchemie und Industrie, Köchinnen und Köche, mit Aromen, Zusatzstoffen oder gestreckten Lebensmitteln natürliche Zutaten nachzuahmen. War unser Essen also schon immer „fake“? In der Ausstellung erfährt das Publikum, wie heute mit Zusatzstoffen und natürlichen sowie künstlichen Aromen getrickst wird.
Interaktive Stationen laden zum Mitmachen in der Ausstellung ein. Mit einer Virtual-Reality-Anwendung können Gäste an einer barock gedeckten Festtafel Platz nehmen und in ein interaktives Tischgespräch zu den Themen der Ausstellung eintauchen. Tablet-PCs und ein bequemes Sofa laden dazu ein, Videos darüber anzusehen, was heute und was im 18. Jahrhundert als „Superfood“ galt. Weiterhin können die Besucher Interviews zu persönlichen Erfahrungen und Gewohnheiten beim Essen hören und diese Fragen selbst beantworten. Sie testen das eigene Riechvermögen und versuchen, Gerüche zu erkennen und natürliche von künstlichen Aromen zu unterscheiden.
Die interaktiven Erlebnisse laden dazu ein, sich zu fragen, wie gesund wir uns ernähren möchten, was „fake food“ zu unterschiedlichen Zeiten bedeutete und welches Konsumverhalten dazu beiträgt. Der Geschmackssinn der Besucherinnen und Besucher wird mit einem Jelly Beans-Automaten angesprochen. Sie können sich von den kleinen, bunten Gelee-Bohnen mit teilweise skurrilen Geschmacksrichtungen überraschen lassen: Schmecken die Jelly Beans nach Zitrone oder nach alten Socken?
Die Schaugerichte des 18. Jahrhunderts wurden zuvor in Bamberg in der gleichnamigen Ausstellung präsentiert, wo sie zahlreiche Besucherinnen und Besucher anzogen. Einige der Exponate waren zum ersten Mal öffentlich zu sehen. Die Sammlung Ludwig Bamberg befindet sich seit 1995 als Dauerleihgabe im Alten Rathaus von Bamberg und stellt eine der bedeutendsten Privatsammlungen im Bereich Porzellan und Fayence dar. Ein Sammlungsschwerpunkt ist Straßburger Fayence mit ihren einzigartigen Schaugerichten.
Das Porzellanikon erweitert die Ausstellung um wichtige Themenbereiche und ergänzt diese mit Objekten aus der eigenen Sammlung, die teilweise ebenfalls zum ersten Mal ausgestellt werden.
Ein museumspädagogisches Rahmenprogramm für Kinder, Jugendliche und Schulklassen wird diese Sonderausstellung begleiten und junge Besucherinnen und Besucher an die wichtige Frage „Was ist echtes Essen?“ heranführen sowie das Material Porzellan erkunden lassen.
Ausstellung bis 26.10.2025,
Porzellanikon Hohenberg, 95691 Hohenberg an der Eger
http://www.porzellanikon.org
Bilder:
Oben: Deckeldose in Form eines Spargelbundes, Berlin, um 1775/80, Porzellan, Inv. Nr. L 149, Museen der Stadt Bamberg
Unten: L 196, Terrine in Form eines Truthahns, Straßburg, 1745-54, Fayence, Museen der Stadt Bamberg
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