Der geteilte Picasso – Der Künstler und sein Bild in der BRD und DDR

Was verbinden wir mit Pablo Picasso? Und was haben die Deutschen der Nachkriegszeit mit ihm verbunden, als sein Ruhm auf dem Höhepunkt war? Weitaus mehr als wir: Das ist der Hauptgedanke dieser Ausstellung, die an eine vergessene Breite, Spannung und Produktivität der Aneignung erinnert. Nicht nur um den Künstler geht es hier, sondern um sein Publikum, das sich im kapitalistischen Westen und im sozialistischen Osten Picassos Kunst denkbar verschieden zurechtlegte. Der deutsche Picasso war ein geteilter und zerteilter, aber die Teilung beflügelte auch die Mitteilung: Weil jeder diese Kunst befragte, hatte sie allen etwas zu sagen.

Die Ausstellung zeigt politische Werke, etwa das Gemälde Massaker in Korea (1951) aus dem Pariser Musée Picasso. Neben sie treten rund 150 Exponate, die Picassos Werk in seinen Wirkungen spiegeln: Ausstellungsansichten, Plakate und Kataloge, Presseberichte, Briefe, Akten, Filme und Fernsehberichte, außerdem ein Theatervorhang aus dem Berliner Ensemble, auf den Bertolt Brecht „die streitbare Friedenstaube meines Bruders Picasso“ malen ließ.

Picasso eignete sich als Galions- und Projektionsfigur in beiden Systemen und beiden deutschen Staaten. Er war Mitglied der Kommunistischen Partei Frankreichs, unterstützte Befreiungskämpfe und Friedenskongresse. Aber er lebte im Westen und ließ es zu, dass die bürgerliche Kritik ihn zum unpolitischen Genie, zum „Geheimnis Picasso“ stilisierte. Welche Werke wurden im Sozialismus, welche im Kapitalismus gezeigt? Wie wurde Picasso vermittelt? Sah der Westen die Kunst, der Osten die Politik? Was sah der Künstler selbst?

Der geteilte Picasso untersucht das Bild, das sich hüben und drüben aus Picassos Bildern machen ließ. Einen Schwerpunkt bildet die Picasso-Sammlung von Peter und Irene Ludwig, noch heute eine der umfangreichsten. Als die Ludwigs Teile davon der DDR zur Verfügung stellten, vervielfachten sie den dortigen Bestand.

Für die Ausstellung wurden zwei Arbeiten in Auftrag gegeben. Die Architektur des Künstlers Eran Schaerf verknüpft das ausgestellte Material, ohne künstlerische Werke und ihren sozialen Gebrauch hierarchisch zu gliedern. Einbauten aus Holz, schräg platzierte Stellwände, das Aussparen der Museumswände vermitteln den Eindruck einer geplanten Unabgeschlossenheit. Das einzelne Exponat schiebt sich nicht aus dem Zusammenhang, die eigene Aneignung bleibt wahrnehmbar.

Peter Nestlers Film Picasso in Vallauris wurde im Januar 2020 gedreht, um Picassos Wandgemälde Krieg und Frieden in die Ausstellung zu bringen. Der Film geht von Picassos Produktion, seinen Beziehungen und politischen Verbindungen aus und blickt von dieser Vergangenheit her auf die Menschen, die heute in Vallauris leben.

Ausstellung 25.09.-30.01.2022, Museum Ludwig, Köln,
http://www.museum-ludwig.de

Bilder:
Oben re: Picasso signiert Mitgliedern der Freien Deutschen Jugend (FDJ) von ihm gestaltete Tücher auf dem internationalen Jugendkongress in Nizza 1950. Die FDJ war die größte Jugendorganisation in der DDR. Bis zum Verbot 1951 bestand sie auch in Westdeutschland.
Kunstmuseum Pablo Picasso Münster, Succession Picasso/VG Bild-Kunst, Bonn 2021, Foto: Kunstmuseum Pablo Picasso Münster
Oben li: Massaker in Korea, 1951, Pablo Picasso, Musée national Picasso-Paris, Succession Picasso/VG Bild-Kunst, Bonn 2021, Foto: bpk/ RMN-Grand Palais / Mathieu Rabeau
Mitte: gr. Bild: Werbebroschüre zum Buch Lied der Ströme mit einem Auszug aus Pozners Text „Wie Picasso arbeitet“,1957, Privatsammlung, Succession Picasso/VG Bild-Kunst, Bonn 2021, Foto: Rheinisches Bildarchiv, Köln/Patrick Schwarz / re: Die Taube, 1949, Pablo Picasso, Kunstmuseum Pablo Picasso Münster, Succession Picasso/VG Bild-Kunst, Bonn 2021 / li: Westdeutsches Filmplakat zu Henri-Georges Clouzots Film Picasso, 1956,  Succession Picasso/VG Bild-Kunst, Bonn 2021, Foto: Historisches Archiv der Stadt Köln / mi: Kopf einer lesenden Frau, 1953, Pablo Picasso, Museum Ludwig, Köln, Succession Picasso/VG Bild-Kunst, Bonn 2021, Foto: Rheinisches Bildarchiv, Köln / re: Plakat für den Weltkongress für allgemeine Abrüstung und Frieden in Moskau, 1962
Sammlung Lempert, Succession Picasso/VG Bild-Kunst, Bonn 2021, Foto: Rheinisches Bildarchiv, Köln/Patrick Schwarz
Unten: Temple de la Paix in Vallauris, Pablo Picasso, aus Peter Nestler, Picasso in Vallauris, 2020, (Filmstill), Peter Nestler, Succession Picasso/VG Bild-Kunst, Bonn 2021