The F* word – Guerrilla Girls und feministisches Grafikdesign

„Do women have to be naked to get into the Met.Museum?“ Mit diesem legendären Poster machte die Aktivistengruppe Guerrilla Girls 1989 in New York darauf aufmerksam, dass Frauen zwar ein beliebtes Bildmotiv sind, aber nur wenige weibliche Positionen in Museen, Galerien und Kunstinstitutionen ausgestellt werden. Seit fast 40 Jahren engagiert sich das international bekannte Kollektiv aus den USA mit humorvollen, aufklärenden und anklagenden Arbeiten gegen Sexismus, Rassismus, Diskriminierungen sowie Machtmissbrauch und Korruption im Kunstbetrieb. Seit 2022 befindet sich das Gesamtwerk der Guerrilla Girls im MK&G, nun wird es mit 100 Arbeiten in der bisher größten Zusammenschau in Deutschland präsentiert.

Unter den 165 vertretenen Künstler-/innen waren nur 13 Frauen und noch weniger BIPoC (Black, Indigenous, People of Colour). Seither machen die Guerrilla Girls auf Ungleichheiten, Diskriminierung und Machtverhältnisse im Kunstbetrieb aufmerksam. Dazu nutzen sie Statistiken und pointierte Formulierungen, die auf Plakaten, Flyern, Broschüren und in Videos eindringlich auf Veränderung pochen. Bei den Performances, die ebenfalls zentraler Bestandteil ihrer Arbeit sind, tragen sie Gorillamasken, um ihre Anonymität zu wahren und sicher zu stellen, dass die Botschaften, nicht die Personen im Vordergrund stehen.

Um die Notwendigkeit der Kritik der Guerrilla Girls zu unterstreichen, macht die Ausstellung die enorme Schaffenskraft von Gestalterinnen der letzten 150 Jahre sichtbar. Zu sehen sind herausragende Arbeiten aus der Sammlung: Film-, Theater- und politische Plakate, Zeitschriften- und Buchcover, Flyer, Anzeigen, Ex Libris, Schriftentwürfe und historische Ornamentstiche. Die unbestreitbare Qualität dieser Arbeiten wirft die Frage auf, warum so wenige von ihnen bekannt sind. Wie entstehen (Un)Sichtbarkeiten? Welche strukturellen Bedingungen gilt es in den Blick zu nehmen und zu hinterfragen? Und um welche Positionen und Themen sollte die Sammlung in Zukunft ergänzt werden?

Ein weiterer Teil der Ausstellung eröffnet die historische und fortwährende Relevanz aktivistischer und feministischer Gestaltung. Gezeigt werden zeitgenössischen Positionen wie die Grafikerin Anja Kaiser, das niederländische Designstudio The Rodina, das Missy Magazin, die Illustratorin Anke Feuchtenberger und Sheila Levrant de Bretteville, die den feministischen Diskurs ab den 1970er Jahren vorangetrieben hat.

Historische Plakate, die Teil des Kampfes um Wahlrecht und Selbstbestimmung von Frauen sind, dokumentieren die Konstanz, Breite und Vielfalt feministischer Positionen und Forderungen. Ein umfangreiches Konvolut von Protestplakaten vor allem der Frauenbewegungen in den 1970er und 1980er Jahren macht zudem greifbar, mit welchen visuellen Strategien sich Feministinnen für bessere Arbeitsbedingungen und mehr Anerkennung, Solidarität und Diversität eingesetzt haben.

Die ungebrochene Relevanz und Notwendigkeit feministischer Kämpfe wird unter anderem in einer Sammlung von queerfeministischen Zines – selbst gestaltete, produzierte und vertriebene, magazinähnliche Publikationen – deutlich. Die rund 200 Zines wurden durch einen Open Call zusammengetragen. Die so entstandene, neue Zines-Sammlung ist nur einer von vielen Impulsen, die von der Ausstellung ausgehen und die Sammlung Grafik und Plakat nachhaltig verändern werden. Die Ausstellung bildet den Auftakt einer Neuausrichtung der Sammlung und zeitgemäßer Ausstellungs- und Vermittlungsformate, geprägt von Neugierde auf bisher nicht erzählte Geschichten, spannende zeitgenössische Positionen und dem Wunsch nach Forschung und Vernetzung.

Beteiligte Gestalter-/innen:
BeteiSheila Levrant de Bretteville, Cyan, Anke Feuchtenberger, April Greiman, Grete Gross, Guerrilla Girls, Henriette Hahn-Brinckmann, Anja Kaiser, Valentina Kulagina, Lora Lamm, Elena Luksch-Makowsky, Gabriel .A. Maher, Ethel Reed, Nelly Rudin, Paula Scher, Spring Kollektiv, Warwara Stepanowa, Rebecca Stephany, The Rodina, Andrea Tinnes, Rosmarie Tissi, Annik und Paula Troxler u.a.

Ausstellung bis 17.09.2023, MKG, Museum für Kunst & Gewerbe, Hamburg, http://www.mkg-hamburg.de

Bilder:
Oben: MEGI ZUMSTEIN, CLAUDIO BARANDUN Hi, 2007 Visitenkarte, Collection MKG,
Mitte: li: FLORENCE HARGRAVES The Artist Sold Here, 1900 bis 1905 , Collection MKG / mi: HELEN LI Gebärmutter / Frauenstreik 2020, Collection MKG / re: HANNAH HÖCH Untitled. From the collection „Aus einem ethnographischen Museum“ Draft, 1929 , VG Bild-Kunst Bonn, 2023
Unten: GUERRILLA GIRLS You’re Seeing Less Than Half the Picture, 1989, courtesy guerrillagirls com