
Das Haus der Photographie der Deichtorhallen Hamburg zeigt eine retrospektive Ausstellung des Fotografen Ralph Gibson (*1939), die anhand ausgesuchter Serien die Entwicklung seines Werkes seit den 1960er Jahren bis in die Gegenwart umfasst.
Ralph Gibson ist einer der interessantesten amerikanischen Fotografen unserer Zeit. Sein großes internationales Renommee basiert auf seinen außergewöhnlichen Arbeiten, die von führenden Museen der Welt gezeigt und gesammelt werden – in den Sammlungen des Museum of Modern Art in New York und dem J.P. Getty Museum in Los Angeles ist er genauso mit Werken vertreten wie in der John Simon Guggenheim Memorial Foundation, dem Creative Center for Photography in Tucson, dem Museum of Fine Arts in Houston, dem Maison Européenne de la Photographie und der Bibliothèque Nationale de France in Paris oder dem Fotomuseum Winterthur in der Schweiz.
Gibsons Arbeiten, die seit den frühen 1960er Jahren entstanden sind, widersprechen dabei vollkommen der konventionellen Bestimmung des Mediums Fotografie – der minutiösen Aufzeichnung sogenannter Wirklichkeit: Gibson interessiert sich nicht für die fotografische Dokumentation der Realität, er begreift die Fotografie selbst als ästhetische Realität. Ein Leitmotiv seiner Arbeiten ergibt sich dabei aus der ursprünglichen Bedeutung des Begriffs der Fotografie – dem Zeichnen mit Licht. Gibson benötigt das Licht nicht nur als materielle Voraussetzung für die Entstehung einer jeder seiner Fotografien, er untersucht, er spielt und gestaltet mit Licht, gleichzeitig aber genauso mit seinem Widerpart, dem Schatten. Gibson erhebt somit das Licht selbst zum Thema seines Œuvres.



Neben der stark abstrahierenden Wirkung des Schwarzweißfilms spielt der Bildausschnitt, den Gibson während der Aufnahme mittels der Kameraoptik konzipiert, eine zentrale Rolle. Gibson isoliert, zerlegt und seziert sorgfältig, so dass seine Arbeiten rätselhafte Fragmente der Wirklichkeit präsentieren. Zwischen den expressiven schwarz-weißen Kontrasten, die bis in das grobe Korn der Abzüge zurückzuverfolgen sind und auch bei den subtilen farbigen Motiven bewegen sich seine Kompositionen in Richtung einer eigenwilligen grafischen Makellosigkeit und delikaten Schönheit höchster Vollkommenheit.
Ist es möglich, die Bilder aufgrund ihrer grafischen Raffinesse zunächst trügerisch rasch zu erfassen, entziehen sie sich dennoch hartnäckig dem Leseprozeß konkreter Verortung und ziehen sich ins Vieldeutige oft surrealer und rätselhaft verbleibender Traumsequenzen zurück. Das seltsame Eigenleben seiner zeitlosen Fotografien, von Gibson raffiniert intendiert und gestalterisch geschickt unterstützt, entfaltet seine geheimnisvolle und magische Wirkung dann vollends, wenn es sich nachhaltig auf das Innere des Betrachters überträgt und dort weiterwirkt.
Ausstellung bis 20.08.2023, Haus der Photographie der Deichtorhallen Hamburg, http://www.deichtorhallen.de
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